Überraschend hat der Bundesrat letzten November die Empfehlung seiner Eidgenössischen Kommission für die berufliche Vorsorge ignoriert und den BVG-Mindestzins bei einem Prozent belassen. Auf Ende Jahr brachen die Aktienmärkte weltweit ein und brachten die Pensionskassen in die Bredouille. Was sind die Auswirkungen dieser Entwicklungen auf die Pensionskassen und die Versicherten?
Der Mindestzins bei der zweiten Säule der Altersvorsorge bestimmt, zu wie viel Prozent das Vorsorgeguthaben der Versicherten im BVG-Obligatorium mindestens verzinst werden soll. Dieser Satz liegt seit 2017 bei einem Prozent und wird jedes Jahr fürs nächste Jahr vom Bundesrat festgelegt.
Die Überraschung war gross, als der Bundesrat vergangenen November beschloss, den Mindestzinssatz der zweiten Säule bei einem Prozent zu belassen und somit dem Vorschlag seiner eigens eingesetzten Kommission das erste Mal seit 13 Jahren nicht zu folgen. Die Kommission hatte im Vorfeld eine Reduktion auf 0.75 Prozent empfohlen. Der Bundesrat berücksichtige bei der Festlegung des Mindestzinssatzes nicht nur die Entwicklung der Anleihenmärkte, sondern auch die Immobilien- und Aktienmärkte. Und begründete seinen Entscheid unter anderem mit der guten Entwicklung des Aktienmarktes im Jahr 2017, in dem der Swiss Performance Index (SPI) 19.9% zugelegt hatte. Die Pensionskassen konnten in diesem Jahr ein Polster aufbauen, das sie durch das Jahr 2018 bringen sollte. Die neue Formel der BVG-Kommission zur Festsetzung des Mindestzinssatzes kam in ihrer Berechnung per Ende September 2018 auf einen Zinssatz von 1.03 Prozent.
Mindestzins bringt schwache Pensionskassen in die Bredouille
Diese Begründung mag stimmen, haben die Pensionskassen 2017 eine gute Performance erzielen können (rund sieben Prozent). Und per Ende September 2018 – zum Zeitpunkt, an dem die Kommission und der Bundesrat ihre Entscheide fielen – lag der SPI noch bei einem Plus von einem halben Prozent.
Ende Jahr jedoch brachen weltweit die Aktienmärkte ein. Der SPI beendete das Jahr mit einem Minus von 8.57 Prozent, der SMI lag sogar 10.15 Prozent tiefer als zu Beginn des Jahres. Des Weiteren sind Pensionskassen verpflichtet, die Vorsorgeguthaben sicher anzulegen. Sie sind also gezwungen, nebst dem Aktienmarkt auch in den Anleihenmarkt und weitere Anlageklassen zu investieren. Aufgrund des Negativzinsumfelds rentieren zehnjährige Bundesobligationen jedoch seit geraumer Zeit überhaupt nicht mehr oder sogar knapp negativ. Mit Anleihen, die nicht rentieren, und Aktien, die per Jahresende knapp zehn Prozent verloren haben, ist es beinahe unmöglich, den vorgegebenen Mindestzins von einem Prozent zu erreichen. Noch nicht einmal eingerechnet ist da die gesetzliche Pflicht einer jeden Vorsorgestiftung, Wertschwankungsreserven zu bilden und Rückstellungen vorzunehmen, um ihr Leistungsziel zu erreichen. Die UBS errechnete in ihrem PK-Performance Index ein Minus von durchschnittlich 3.45 Prozent für das Jahr 2018 und nennt es das für die Pensionskassen im Sample schlechteste Jahr seit der globalen Finanzkrise.
Versicherte kurz vor dem Pensionierungsalter dürfen sich freuen
Aus Sicht der Versicherten ist der Entscheid des Bundesrates, den Mindestzins bei einem Prozent zu belassen, sicherlich zu begrüssen. Ein höherer Zins ergibt im Pensionsalter eine höhere Rente. In diesem Fall hätte die Reduktion auf 0.75 Prozent bedeutet, dass bei einem Alterskapital von 300’000 Franken rund 750 Franken an Zins pro Jahr verloren gegangen wäre.
Trotzdem ist eine Revision der zweiten Säule dringend notwendig. Pensionskassen, die wenig Substanz und eine ungünstige Altersstruktur aufweisen, werden Probleme bekommen, den Mindestzins zu erreichen. Ein weiterer Faktor, der die Gesundheit der Pensionskassen beeinflusst, ist der Umwandlungssatz. Dieser liegt bei, rein rechnerisch betrachtet, viel zu hohen 6.8 Prozent für das BVG-Obligatorium. Der überobligatorische Teil wird daher bereits jetzt zu einem wesentlich tieferen Umwandlungssatz verrentet. Die Substanz von Kassen wird trotzdem noch zulasten der Jungen ausgehöhlt.
Alternative Investitionsmodelle sind gefragt
Die von Pensionskassen erzielte Rendite muss also nicht nur den Mindestzins, sondern auch die durch den zu hohen Umwandlungssatz generierten Verluste sowie zu bildende Reserven und Rückstellungen decken.
Wie die Pensionskassenstudie 2018 von Swisscanto zeigt, sind hiesige Pensionskassen noch immer hauptsächlich in klassische Anlagekategorien wie Aktien, Obligationen und Immobilien investiert.
Anlageklassen 2008-2017
Quelle: Pensionskassenstudie 2018 von Swisscanto
Hypotheken als Anlageklasse
Eine alternative Investitionsmöglichkeit, die von Pensionskassen noch viel zu wenig und nur zögerlich wahrgenommen wird, sind Hypotheken. Erst rund 1.3 Prozent der Pensionskassenvermögen in der Schweiz sind in Hypotheken investiert. Obwohl die Kategorie theoretisch einen Anteil von 50 Prozent einnehmen dürfte. Einerseits scheuen sich Pensionskassen vor dem administrativen Aufwand, andererseits dauert die Anpassung der Anlagestrategie seine Zeit. Und das, obwohl Hypotheken als Anlageinstrument eine deutliche Mehrrendite gegenüber risikotechnisch vergleichbaren festverzinslichen Anlagen erreichen. Dies nicht nur in der aktuellen Tiefzinsphase, sondern auch bei hohen Zinsen. Der Grund dafür ist die Liquidität der Anlageklasse: Hypotheken lassen sich – im Vergleich zu Anleihen – nicht so einfach veräussern. Langfristig ausgerichtete Pensionskassen profitieren hingegen von dieser so genannten Illiquiditätsprämie.
Quelle: snb.ch, jeweils letzte Beobachtung des Jahres
* Die SNB dokumentiert erst seit 2007 die Zinssätze einzelner Laufzeiten. Die Hypothekarzinsen von 1991 bis 2006 sind daher ein volumengewichteter Durchschnitt aller Laufzeiten
Der Langzeitvergleich zeigt klar, dass Hypotheken bei gleichbleibenden Risiken besser rentieren als Staatsanleihen. Wie eine langjährige historische Betrachtung zeigt, war auch in der Hochzinsphase der 90er-Jahre mit Hypotheken eine Mehrrendite von durchschnittlich einem Prozent erzielbar.
Der Druck auf die Pensionskassen steigt
Pensionskassen sind aufgrund der Marktentwicklungen angehalten, breiter zu diversifizieren und auch vermehrt alternative Anlageklassen zu prüfen, die gegenüber den klassischen Anlagen eine tiefe Korrelation aufweisen. Denn das höhere Risiko zahlt sich nicht selten in einer besseren Rendite aus, die wiederum den Versicherten zugutekommt. Es wäre ein kleiner Beitrag zur Rentensicherung der heutigen Beitragszahler.